Tipp 6 Wie gestalte ich eine glaubwürdige Figur?
Jede Figur, egal, ob es sich um eine Haupt- oder Nebenfigur handelt, sollte glaubwürdig beschrieben sein. Ihre Handlungen sollten nachvollziehbar sein und ihrem Charakter entsprechen. Kennst du Filme oder Bücher, wo es dir in den Fingern kribbelt, weil der Kommissar zu doof ist, den Täter zu finden, obwohl der direkt hinter der Tür steht und hustet? Oder wo der Actionheld geradezu alles fahren oder fliegen kann, was ihm unter die Finger gerät und dann bei einem simplen Fahrrad versagt?
Okay, das kann vorkommen und sorgt bei Licht besehen durchaus für einen Lacher. Wenn dir das aber häufiger passiert, nimmt der Leser dich nicht mehr für voll und legt schlimmstenfalls das Buch zur Seite, weil ihm das zu doof ist.
Deine Figuren sollen nicht vorhersehbar handeln, aber so, dass der Leser sagt: Ja, das hätte ich jetzt nicht gedacht, aber das passt trotzdem. Denn das ist die Kunst des Schreibers, seinen Leser zu überraschen und zu überzeugen.
Wie gestalte ich denn nun eine glaubwürdige Figur?
Wenn du magst, kannst du dir einen sogenannten Charakterbogen anlegen. Da gibt es unterschiedlich detaillierte Ausführungen. Viele Autoren „interviewen“ ihre Figuren und schreiben nicht nur ihr Aussehen auf, sondern auch, welche Schulbildung sie besitzen, was für Hobbys, welche Stärken und Schwächen sie haben, was sie gerne essen usw. Du findest im Internet jede Menge Anleitungen dazu. Schau sie dir an und überleg, ob das für dich brauchbar ist.
Mir genügt eine Karteikarte für jede Figur, wo ich die wichtigsten Details einschreibe, die sich im Lauf der Handlung ergeben. Mehr brauche ich nicht. Aber das muss jeder für sich herausfinden und ausprobieren.
Du solltest jedoch sicherstellen, dass deine Figur, die am Anfang der Geschichte blaue Augen hatte, am Ende keine braunen Augen hat. Deshalb sind so ein paar Notizen dazu gar nicht schlecht.
Die Glaubwürdigkeit deiner Figur definiert sich über ihr Aussehen und es muss zu dem, was sie tut, passen. Der Kämpfer mit den dicken Muskeln und den 200 Tattoos wird keinen Laden für Strickwaren eröffnen. Also meistens …
Der strenge Lehrer trägt in der Regel keine Rastalocken zu seinem bis oben zugeknöpften Hemd, die 90jährige Nonne ist selten tätowiert oder alkoholabhängig und das beliebteste Kind der Schule ist kein Stotterer und Hasenfuß.
Vermeide dennoch Klischees, denn das ist auch langweilig. Die blonde, blauäugige Schönheit mit großen Brüsten, die dumm wie Bohnenstroh ist. Der ketterauchende Polizist, der bindungsunfähig ist, weil er nur in der Arbeit seine Erfüllung findet. Die Mutter, deren Highlight des Tages darin besteht, ihren neun Kindern den Hintern abzuputzen und ihnen etwas Schönes zu kochen. Du verstehst, was ich meine?
Natürlich dürfen deine Figuren am Klischee kratzen, aber das kannst du elegant lösen, so dass der Leser es gar nicht bemerkt. Du kannst sogar damit spielen, das macht auch dem Leser Freude. Lass die knackige Blondine klug sein, aber Angst vor Höhe und einen immer wiederkehrenden Hautauschlag haben. Der bindungsunfähige Polizist ist kein Kettenraucher, sondern malt Schlumpffiguren und sammelt in seiner kargen Freizeit ehrenamtlich Müll am Strand ein. Die Mutter mit den neun Kindern arbeitet, während diese in der Schule sind, bei einer Sexhotline und erpresst ihre Kunden.
Mach deine Figuren lebendig, indem du ihnen Schrullen und Schrammen verpasst, seltsame Neigungen und Interessen, lass sie gut und böse sein – das steckt in allen von uns drin. Sorg dafür, dass dein Leser sich mit ihnen identifizieren kann oder sie ihn zumindest faszinieren.
Damit du das schaffst, musst du einige Eigenschaften im Lauf der Handlung erklären.
Der Muskelprotz strickt gerne, weil es ihn an seine Oma erinnert, die es ihm beigebracht hat.
Der Hautausschlag der Blondine resultiert daher, dass sie früher Journalistin war und in eine Chemiefabrik eingebrochen ist.
Der strenge Lehrer hat das Hemd immer bis oben hin zugeknöpft, weil er so stark behaart ist, wie seine gesamte Familie, die von den Werwölfen abstammt usw. Aber erklär es nicht nur, sondern zeige es auch. Dazu schreibe ich etwas in Tipp 9.