Tipp 14 Wie kann ich Logikfehler vermeiden?
Die Antwort ist einfach: erstmal gar nicht.
Logikfehler sind nahezu unvermeidbar und werden oft erst bei der Überarbeitung, durch Testleser oder das Lektorat aufgedeckt.
Was meine ich überhaupt mit Logikfehlern?
In Tipp 6 beschrieb ich unter anderem, dass du sicherstellen solltest, dass deine Figur am Ende deines Romans noch die gleiche Augenfarbe haben sollte, wie am Anfang. So etwas ist leicht, indem du dir entsprechende Übersichten anlegst. Auch der Leberfleck sollte nicht mal rechts und mal links am Hals sitzen. Gleiches gilt für Örtlichkeiten. Eine Kirche kann nicht an einer Stelle deines Romans im Osten der Stadt stehen und an anderer Stelle am nördlichen Rand der Stadt.
Was ich mit richtigen Logikfehlern meine, sind Fehler, die dem Leser sofort auffallen und deine Story in Nullkommanix in den Abgrund schicken.
Ein Beispiel:
Siegfried beobachtete Norma und ihr Gegenüber von dem Busch aus, hinter dem er sich versteckt hatte. Norma stand mit dem Rücken zu ihm. Sie befand sich etwa fünfzig Meter von ihm entfernt. Ihre Mimik war deutlich zu sehen. Sie sah sehr ärgerlich aus. Ihre Augen blitzten und sie redete mit schnellen Bewegungen auf den Mann ein, der vor ihr stand. Siegfried kannte ihn nicht, konnte aber hören, wie er immer wieder sagte: „Das war ich nicht, so glauben Sie mir doch!“
Was ist dir aufgefallen?
Wenn Norma mit dem Rücken zu Siegfried steht, kann er weder ihre Mimik beobachten, noch ihre Augen blitzen sehen. Die Frage ist außerdem, ob er – selbst, wenn sie in seine Richtung schauen würde, erkennen könnte, dass ihr Augen blitzen. Auch feine mimische Kennzeichen (Stirn runzeln usw.) könnte er vermutlich aus dieser Entfernung nicht sehen.
Siegfried will außerdem gehört haben, was Normas Gegenüber sagte.
Hm. Fünfzig Meter sind ganz schön weit. Ich unterstelle, dass man da, wenn überhaupt, nur Bruchstücke einer Unterhaltung mithören könnte.
Deshalb gilt es, alle Szenen deines Romans auf solche Logikfehler abzuklopfen. Im Notfall musst du bestimmte Dinge einfach ausprobieren, damit du guten Gewissens sagen kannst: Doch das ist so, das geht. Oder du bleibst in deinen Angaben vage. Statt fünfzig Meter würde ich schreiben: in einiger Entfernung.
Ein weiteres Beispiel:
In vielen Actionfilmen können wir sehen, wie der Held allein gegen fünfzig Männer kämpft, dann trotz gebrochenem Bein aus dem dritten Stock des Hauses auf ein zufällig bereitstehendes Motorrad springt, damit losdüst und in Ermangelung einer Brücke eine ebenso zufällig vorhandene Rampe dazu nutzt, um mit dem Motorrad über den Fluss zu fliegen.
Ja. In Filmen funktioniert das, obwohl jeder weiß, dass das nicht möglich ist. Hier baut diese actionreiche Handlung darauf, dass in kürzester Zeit unheimlich viel passiert und der Zuschauer gar nicht zum Nachdenken kommt bzw. diese Realitätsferne verzeiht, weil sie in diesem Moment unterhaltsam war.
Ob die gleiche Handlung einem Autor verziehen wird, wage ich zu bezweifeln. Bei Comics geht es wahrscheinlich durch. Vielleicht kommt es auf die Zielgruppe und das Genre an. Ich weiß es nicht.
Aber was ich weiß… Ein Buch ist keine schnelle, sondern eine langsame Unterhaltung (selbst für Schnellleser) und deshalb hat der Leser mehr Zeit, über das Geschehen nachzudenken. Mehr Zeit bedeutet: er hat Muße zu überlegen, was tatsächlich real passieren könnte. Schließlich ist er (wenn es der Autor gut gemacht hat) selbst mitten in der Handlung drin. Und da weiß er, dass ein Kampf gegen fünfzig Männer nicht zu überleben ist.
Mich stört in Filmen oft, dass der eine Held in der Mitte eingekesselt steht und von den umstehenden zwanzig Gegnern immer nur einer anfängt, mit ihm zu kämpfen. Alle anderen warten brav, bis der Held sie nacheinander abschlachtet. Naja, vielleicht bin ich zu alt für sowas…
Was ich damit sagen will: Gestalte deine Handlung nachvollziehbar. Wenn etwas Außergewöhnliches passiert, dann musst du das erklären/ begründen, warum es funktioniert. Hat der Held Zauberkräfte, sind seine Gegner alle betrunken, hilft ihm ein besonderes Talent usw.? Du kannst nicht einfach eine Behauptung aufstellen und vom Leser erwarten, dass er das „frisst“. Du willst eine glaubwürdige Handlung entwerfen, dann gib dir Mühe!
Stephen King ist einer der Autoren, die es aus meiner Sicht meisterhaft verstehen, ihre Protagonisten in die unwahrscheinlichsten Situationen und Welten zu bringen und mir als Leser das glaubwürdig zu vermitteln. King stellt keine Behauptungen auf, er zeigt und begründet mir das Geschehen auf eine Weise, dass ich es glauben KANN.
Das ist das Geheimnis.
Eine Anmerkung noch zu technischen Details. Nicht jeder Leser ist technisch bewandert, Ingenieur oder hat Ahnung davon, wie man ein Auto zerlegt und wieder zusammenbaut.
Aber so eine Ahnung von allgemeinen physikalischen Gegebenheiten besitzt jeder, der eine Schule besucht hat.
Ein Autor, der Science-Fiction schreibt, kann mir als „normalem“ Leser deshalb durchaus einen Bären aufbinden, wie ein Warp-Antrieb funktioniert. Da blicke ich nicht durch. Was er mir nicht „verkaufen“ könnte, ist die Behauptung von dem blinden Passagier, der sich in der ungedämmten Außenhülle eines Raumtransporters versteckt, um auf einen anderen Planeten zu gelangen. Da weiß ich auch als Laie, dass der erfrieren muss.
Das heißt: bleib so dicht an der Realität, wie du kannst. Recherchiere notfalls oder frage einen Fachmann oder denk dir einfach ein Szenario aus, das du selbst gut nachvollziehen könntest, wenn es jemand anders aufgeschrieben hätte.
Unterschätze nie die Intelligenz deiner Leser. Jeder wird wissen, dass ein Schiff nie untergeht, wie ein Stein, sondern meist erst einmal zur Seite kippt, ein Teil unter Wasser gerät usw. bis die Luftreserven im Rumpf durch eindringendes Wasser verdrängt werden. Jeder weiß, dass ein Riese nicht in ein Mauseloch passt, dass Zwerge nicht fliegen können (zumindest ohne Hilfsmittel) und dass Babys erst lernen müssen, zu laufen.
Du kannst mir das Gegenteil gern beweisen, aber mach es so, dass ich es glauben KANN.