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Tipp 12 Wie platziere ich Details, die ich später im Roman noch benötige?


Nicht nur in Krimis muss der Autor Fährten legen, die der Leser nicht sofort als solche erkennt. Es ist die hohe Kunst, diese kleinen, aber wichtigen Details unbemerkt zu platzieren.

Für eine glaubwürdige Handlung ist es geradezu lebensnotwendig.

Stell dir vor, dein Protagonist benötigt ziemlich am Ende deines Romans eine Nadel. Es wäre doch äußerst langweilig und wenig glaubwürdig, wenn er auf einmal und aus heiterem Himmel feststellt, dass er eine im Hut stecken hat.

Also wirst du die Nadel weit vorher schon einmal im Geschehen platzieren. Weit vorher…

So könnte zum Beispiel am Anfang des Romans die Geliebte des Helden feststellen, dass er einen Riss im Hemd hat. Da keine Zeit zum Flicken ist, nimmt sie eine Sicherheitsnadel und steckt sie im Hemd fest, damit der Riss nicht mehr zu sehen ist. Voila!

Der Leser wird das wahrnehmen, es für unwichtig halten und wieder vergessen. Wenn die Nadel viel später aber benötigt wird und der Held sich erinnert, dass da doch eine Nadel vorhanden ist, wird sich auch der Leser an diese winzig kleine unwichtige Szene erinnern und sagen: Ja, das stimmt. Da steckt eine Nadel im Hemd.

Ich persönlich würde darauf verzichten, die Nadel zwischendurch nochmal ins Geschehen zu bringen. Ja, sie könnte mal piksen oder reiben, aber… Leser nehmen so plumpe Erinnerungen krumm. Sie haben das Gefühl, der Autor hält sie für doof. Und es entsteht die Vermutung, dass genau diese Sache konstruiert wurde, um die Nadel dann hervorzuzaubern. Der Aha-Effekt verpufft.

Will ich eine neue Figur ins Geschehen bringen, die nicht gleich als wichtig erkennbar sein soll, mache ich das ähnlich.

Beispiel:

Als Adeline mit Edgar die Straße überquerte, fiel ihr ein Mann auf, der an der Ecke stand und auf etwas zu warten schien. Er hatte einen nicht mehr ganz neuen dunklen Mantel an.

Edgar sagte zu ihr: „Sieh dir diese Typen an. Stehen überall rum, als ob sie nichts zu tun hätten.“

… Dann entwickle ich die Handlung, ohne weiter auf diesen Mann einzugehen. Ich habe ihn, für den Leser nicht zu erkennen, markiert. Er steht an der Ecke herum und trägt einen nicht mehr ganz neuen Mantel.

Mehr braucht es nicht.

Zu einem späteren Zeitpunkt …

Adeline wechselte die Taschen, die leichte in die linke Hand, die schwere in die rechte. Sie hatte sich wieder einmal überschätzt und Edgar war, wie gewöhnlich, wenn er gebraucht wurde, nicht in der Nähe. Ihre Nackenmuskeln verspannten sich. Wenn sie doch nur zehn Jahre jünger wäre, dann wäre so ein Wochenendeinkauf ein Klacks.

Jetzt fingen auch noch ihre Schuhe an, zu reiben. Wie blöd war das denn?

An der Ecke zur Botanicstreet stand immer noch der Mann mit dem dunklen Mantel. Scheinbar hatte er wirklich nichts zu tun. Edgar hatte schon recht. Es wurden immer mehr von diesen Faulenzern, die sich von den Steuergeldern aushalten ließen.

Adeline setzte den linken Fuß auf die Straße und dann hielt für einen kurzen Augenblick die Zeit an. Sie sah, wie der Typ von der Ecke seinen Mantel öffnete. Ein darin verstecktes Gewehr kam zum Vorschein.  Als er das Feuer auf sie eröffnete, ließ Adeline die Taschen fallen. Aber das merkte sie schon nicht mehr.

Wenn wir jetzt einfach so aus dem Nichts einen Mann mit einem Mantel an die Ecke gezaubert hätten, würde der Leser sich fragen: Woher kommt der denn so plötzlich? Da gerät der Autor unter Umständen in Erklärungsnot und ganz ehrlich, einfach so einen Mörder aus dem Hut springen zu lassen, das wirkt nicht gerade glaubwürdig.

Indem wir diese Figur vorher schon in die Story einbauten, haben wir die Szene vorbereitet und konnten außerdem Adelines und Edgars Weltansicht, Gedanken und Gefühle, auch körperliche, illustrieren.

Natürlich kann man eine Figur aus dem Nichts hervorzaubern, aber wir müssten hinterher viel erklären, um die Szene für den Leser verständlich zu gestalten.

Das muss jeder Autor für sich ausprobieren, wie es am besten in seiner Story funktioniert.