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Marvins Überraschung


Als Marvin die Entertaste drückte, klopfte sein Herz wie verrückt. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, obwohl in ihm eine kalte Gelassenheit die Aufregung verdrängte. Endlich. Endlich würde Margret erhalten, was sie verdiente.

Noch schnell sandte er die Bestellung für Susi ab. Dieses Mal ohne das besondere Häkchen, das ihn gerade zehntausend Euro gekostet hatte. Susi würde einen normalen Blumenstrauß erhalten. Rote Rosen für 24,99. Bei ihrem nächsten Treffen würde sie ihn geradezu ins Bett zerren vor lauter Dankbarkeit. Marvin lächelte.

Margret hingegen. Tja. Die kriegte ebenfalls eine Liebesgabe. Nur würde sie dann nicht mehr in der Lage sein, irgendjemanden auf ihre schmuddeligen Laken zu werfen. Außer dem Teufel vielleicht.

Aus Marvins Kehle quälte sich ein Kichern, während er sich die schütteren Haare zurück strich.

Die letzten Jahre waren die Hölle. Das Versteckspiel und die dauernden Anschuldigungen. Wäre Margret nicht so nachlässig mit ihrem Äußeren umgegangen und hätte sie ihn nicht so kurz gehalten, wer weiß? Dann hätte ihn das Angebot dieses speziellen Onlinedienstes vielleicht gar nicht gereizt. Hätte ihm keine schlaflosen Nächte bereitet, in denen er mit sich rang, die Laken nass schwitzte und das Hämmern seines Herzens ihm in den Ohren dröhnte. Dann hätte es möglicherweise auch Susi nicht gegeben. Nicht in seinem Leben.


Manchmal wusste Marvin nicht, ob er für Susis Liebe dankbar sein sollte. Öffnete sie ihm doch erst die Augen dafür, was mit ihm und Margret passiert war. Andererseits konnte ein Mann in Marvins Alter und mit seinem Aussehen glücklich sein, eine solche Geliebte zu finden. Besonders schön war Susi nicht, aber ihre üppige Oberweite verbarg ein goldenes Herz und wenn Marvin seinen Kopf an Susis Brust legte, vergaß er den Unbill der schnöden Welt da draußen.

Eine Scheidung von Margret kam nicht in Frage. Zwar legte Susi keinen großen Wert auf die Glückseeligkeit, die eine volle Börse versprach. Marvin dachte darüber anders. Er war zu alt und zu verbraucht, um in dieser Welt ohne Margrets Geld klar zu kommen. Zu viele seiner besten Jahre hatte sie ihm gestohlen und dafür sollte sie nun bezahlen. Sogar mit ihrer eigenen Kohle. Bei diesem Gedanken kicherte Marvin erneut und genoss das Gefühl seiner baldigen Freiheit.

Wie sie es wohl anstellen würden? Darüber hatte sich der Online-Blumendienst verständlicherweise nicht genau ausgelassen. Marvin war nur durch Zufall auf den „Speziellen Liebesdienst“ gestoßen, der offerierte, dass die ungeliebte Partnerin eine außergewöhnliche Überraschung erleben würde.

„Dein Leben wird sich sofort ändern! Alles wird anders!“, versprachen die Betreiber der Internetseite. „Sie wird in einem Meer aus Blumen ertrinken.“ oder „Der Duft unserer Blüten wird sie umbringen.“, so und ähnlich lauteten die Slogans des Dienstleisters. Die Preisliste begann bei zweitausend Euro und hörte bei zehntausend auf.

Marvin hatte die Luxusvariante gewählt. Nicht nur, weil ihm der Slogan: „Sie wird nach unserem Besuch für den Rest der Welt gestorben sein.“ so gut gefiel. Er wollte nicht, dass Margret litt, obwohl sie es durchaus verdient hätte. Ihr Tod sollte möglichst schmerzlos vonstatten gehen, das war er seinem Gewissen schuldig. Aus einigen der vage genannten Details erahnte Marvin, dass dies nur mit viel Geld zu bewerkstelligen war. Egal. Es würde danach noch genug übrig sein, um Susi und ihm ein bequemes Leben zu bieten.

Als Marvin am Abend neben Margret lag und ihr fettes in einem rosa Pyjama steckenden Hinterteil, betrachtete, nickte er. Dieses schnarchende Etwas war früher einmal eine mäßig attraktive, wenn auch schon ältliche Frau gewesen, die dankbar für seine Aufmerksamkeit war. Das hatte sich mit den Jahren und der wachsenden Eifersucht geändert. Unerträglich war Margret geworden, ließ Marvin spüren, dass er nur um des Geldes willen bei ihr blieb, bis dies tatsächlich so war. Nun, dachte Marvin, morgen ist damit Schluss. Morgen beginnt ein neues Leben für mich!

In der Nacht träumte er davon, wie Margret an dem vergifteten Blumenstrauß schnupperte und betäubt zu Boden fiel. Wie in Zeitlupe richtete sich eine Pistole auf ihr verzerrtes Gesicht und dann sah Marvin nur noch Blut spritzen. Erschrocken fuhr er hoch. Sein Herz raste wie ein D-Zug und beruhigte sich erst, als er Margret leise neben sich schnarchen hörte.

Vorsichtig stand er auf, sammelte seine Sachen zusammen und schlich sich in die Küche. Während er nach seiner linken Socke fahndete, tastete er nach dem Zettelblock, der immer bereit lag. Eine der nervtötenden pedantischen Eigenheiten Margrets, die ohne einen Zettelblock auf jeder verfügbaren freien Fläche einfach nicht auskam. „Einen schönen Valentinstag, Liebes!“, schrieb Marvin darauf. „Ich komme gegen neun nach Hause. Dann feiern wir.“

Das sollte genügen, um gegenüber der Kripo den Schein zu wahren, wenn er heute Abend Margrets Leiche finden würde.

Den Tag verbrachte Marvin in einer seltsam unruhigen Stimmung, die ihm abwechselnd ein Prickeln im Unterleib und eine aufsteigende Übelkeit bescherte. Aufgeregt tigerte er am Abend durch den Park und näherte sich in großen Kreisen dem Haus, in dem Margrets Leichnam nun langsam erkalten würde. Für 11.00 Uhr hatte er die Lieferung bestellt, die Zeit, zu der Margret zu frühstücken pflegte. Hoffentlich hatte der Mörder nicht zuviel Blut vergossen. Marvin bereute nichts, doch es graute ihn schon ein wenig vor dem, was er gleich finden würde.

Die Rollläden waren unten. Ein gutes Zeichen, fand Marvin. Margret hatte nicht nur die Angewohnheit, spät aufzustehen. Nein, sie hockte auch danach noch mindestens zwei Stunden im verdunkelten Haus herum.

Also hatte es geklappt! Marvin lächelte still in sich hinein. Nachher, wenn die Kripo da war, musste er natürlich traurig sein. Jetzt, in diesem Augenblick aber genoss er das Gefühl, sein eigenes kleines Geheimnis zu haben.

Als er die Tür öffnete und fröhlich „Ich bin wieder da“, rief – vielleicht hörte ja einer der Nachbarn zufällig etwas – stockte Marvin der Atem. Überall standen Blumen und brennende Kerzen herum. Im Türrahmen räkelte sich Margret in einem sehr durchsichtigen Negligee, das ihre Rundungen keineswegs verbarg. Sie lächelte ihn strahlend an. Zuletzt hatte sie vor dem Traualtar so einen Blick, schoss es Marvin durch den Kopf, während ihm die Röte ins Gesicht stieg und seine Mundwinkel zu zucken begannen.

„Schatz, jetzt weiß ich, was ich dir bedeute!“, hauchte Margret und wackelte mit ihrer Hängebrust erregt auf und ab.

„Aber…“, stotterte Marvin und registrierte, dass Margret sogar eine neue Frisur und Make up hatte. Was war da nur schief gelaufen?

Während er noch nach Luft schnappte, schmiegte sich Margret an seinen widerstrebenden Körper. „Dass du mir auch noch diesen Liebeshengst geschickt hast! Zuerst war ich ja ein bisschen ängstlich, aber er hat mich behandelt, wie eine Königin. Traumhaft! Komm, mein Lieber, ich zeige dir, was ich heute gelernt habe!“

Und dann spürte Marvin nur noch, wie Margrets dicke Schenkel ihn in die Zange nahmen.