Skip to main content

Kontakte knüpfen und pflegen


Mir ist in letzter Zeit das Thema „Freunde finden“ wieder häufiger begegnet und ich habe festgestellt, dass es eben nicht für jeden ganz einfach ist, neue Kontakte zu finden und diese dann auch aufrecht zu erhalten oder zu vertiefen.

Ich klammere hier mal diejenigen aus, die zum Beispiel durch eine Sozialphobie oder andere psychische Probleme Mühe haben, Kontakte herzustellen und auch zu pflegen. Sie haben es besonders schwer und da gibt es natürlich kein Patentrezept, wie man das ändern kann.

Aber wie sieht es mit den Anderen aus? Leute, die gern jemanden kennenlernen würden, sehen sich selbst vor einer Hürde. In meinem Blog zur Einsamkeit habe ich dazu schon Einiges geschrieben, auch, welche Strategien und Möglichkeiten es gibt, den ersten Schritt zu tun – denn einen ersten Schritt müssen wir gehen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Entweder ich gehe selbst auf einen Menschen zu oder ich öffne mich soweit, dass jemand keine Scheu hat, mich anzusprechen.

Sich zu öffnen heißt, sich verwundbar zu machen. Das ist einer der Gründe, warum Menschen Angst vor neuen Kontakten haben. Man zeigt sich mit Stärken und Schwächen und ja, da gibt es Personen, die meine Schwächen ausnutzen könnten, um sich ihr Mütchen zu kühlen. Sie wollen mich vielleicht sogar absichtlich kränken.


Die Frage ist, ob ich das zulasse. Hier kann ich nur aus meinen eigenen Erfahrungen sprechen. Ich besitze ein sehr gutes Maß an Wertschätzung für mich selbst – auch für die schlechten Eigenschaften, denn die gehören zu jedem Menschen. Ich stehe zu meinen Entscheidungen, auch den falschen. Niemand ist perfekt, also muss ich es ebenfalls nicht sein. Ich darf Fehler haben und ich darf so sein, wie ich bin!

Wirklich kränken könnte mich also nur jemand, der mir sehr wichtig ist und dieser Mensch würde mich nicht absichtlich kränken wollen, denn ich habe ihn sorgfältig ausgewählt. Zu Kränkungen, die in der Phase der Auflösung einer Freundschaft oder einer Partnerschaft verteilt werden, schreibe ich mal in einen Extrablog, denn dabei handelt es sich um das Auseinanderbrechen hochemotionaler Beziehungen und die sind nochmal anders zu bewerten.

Bleiben wir bei einfachen Kontakten. Wie ist es mit Menschen, die ich noch nicht kenne oder nicht gut genug? Können die mich kränken? Vielleicht, weil ich es für einen Fehler halte, die Bekanntschaft dieser Person gesucht zu haben, um dann festzustellen, dass ich enttäuscht werde? Die empfundene Kränkung hat in diesem Fall wohl eher damit zu tun, ob ich mir selbst verzeihen kann.

Jedoch: Selbstverzeihung ist eine natürliche Barriere, die hilft, Enttäuschungen besser zu verarbeiten.  Deshalb ist es gut, sich darin zu üben und sich klar zu werden, dass Fehler und Enttäuschungen nun mal dazugehören, auch wenn es im Einzelfall durchaus weh tun kann.

Manchmal nutzen neue Menschen, die in unser Leben treten, unsere Bedürfnisse aus. Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit, Freundlichkeit, Liebe usw. Wir übertönen in der Kennenlernphase deshalb etwaige Einwände unseres Bauchgefühls und lassen uns auf den anderen ein. Das macht verwundbar und prägt uns für spätere Begegnungen.

Neulich las ich über Love-Bombing (jemanden mit Aufmerksamkeit und Liebesbekundungen „zuschütten“ und dadurch emotional abhängig machen). Es war zu erfahren, dass dem gern ein Ghosting/ Mosting (Blockierung, völlige Ignoranz von einer Stunde auf die andere) folgt, wenn die „zugebombte“ Person nicht so reagierte, wie erhofft. Und ich las, dass niemand davor gefeit ist, auf diese Masche hereinzufallen, weil wir grundsätzlich ja erst einmal an das Gute im Menschen glauben möchten. Und das ist auch richtig so. Dennoch oder gerade deshalb müssen wir beim Kennenlernen auf die leisen Töne hören und uns ganz rational fragen, was uns so interessant für die andere Person macht. Wir müssen lernen, keine Angst vor Enttäuschungen zu haben und offen für neue Erfahrungen zu sein, ohne völlig blind zu vertrauen.

Nun heißt meine Überschrift ja „Kontakte knüpfen und pflegen“. Es gibt immer unterschiedliche Qualitäten eines Kontaktes. Oberflächlich, nachbarschaftlich, kollegial, freundschaftlich, intensiv, tiefgründig usw.   Und natürlich kann aus einem oberflächlichen Kontakt ein intensiver Kontakt werden. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wieviel Platz habe ich in meinem Leben für diese Person (oder wieviel möchte ich ihr einräumen)? Welche Erwartungen haben beide Seiten? Wie groß ist das Spektrum der Gemeinsamkeiten oder der gleichen Interessen? Wie schnell geht das Kennenlernen?

Wenn beide gleichermaßen interessiert sind, dann gehen auch von beiden Impulse für die Fortführung des Kontaktes aus. Das gilt für digitale wie für Begegnungen im wahren Leben. Geht das Kennenlernen zu schnell, auch wenn man das zuerst gar nicht als unangenehm empfindet, dann ist es nicht verkehrt, mal kurz auf die Bremse zu treten und zu schauen, warum das so ist. Was tut der Andere, um bestimmte Saiten in mir zum Klingen zu bringen? Wieso reagiere ich in dieser oder jener Weise darauf?

Aber auch bestehende Freundschaften bedürfen einer Pflege von beiden Seiten, damit sie funktionieren können. Anderenfalls verkommen sie eher zu Bekanntschaften und lösen sich mit der Zeit völlig auf.

Geht ein Kontakt zu schleppend, weil zum Beispiel die andere Seite stets Ausreden hat, warum es nicht zu einem Treffen kommen kann oder kurzfristig Verabredungen absagt, dann sollte uns das auch stutzig machen. Spätestens beim Gefühl, dass nur einer immer wieder Impulse sendet, ist der Kontakt in Schieflage und beginnt, uns nicht gut zu tun. Dann werden wir vermutlich nur ausgenutzt (z.B. als seelischer Mülleimer oder Zeitvertreib) und investieren unsere Gefühle umsonst.

Ganz klar ist auch, dass wir unsere Geheimnisse nicht mit der erstbesten Person teilen, die wir kennenlernen. Zum Einen ist es ja gerade interessant, sich mit der Zeit gegenseitig zu entdecken. Zum Anderen verträgt nicht jede Bekanntschaft sämtliche Informationen, die wir zu geben bereit sind. Das zu erforschen gehört zum Aufbau einer Freundschaft, finde ich und das macht es auch spannend.

Das Thema Freundschaft/ Kontakte knüpfen und pflegen interessiert mich natürlich auch als Schreiberin. Es ist, neben dem Aufbau einer Liebes- oder einer Hassbeziehung mit das spannendste Feld überhaupt, denn es berührt uns. Wir sind soziale Wesen und brauchen den Kontakt zu anderen Menschen. Hier die Feinheiten auszuloten und dem Leser plausibel zu vermitteln, macht den meisten Spaß am Schreiben aus.