Gerüche und Düfte auch in der Literatur?

Zunächst einmal: Ja. Ganz klar gehören Gerüche und Düfte in jedes gute Buch, jede Kurzgeschichte. Schließlich handelt es sich neben dem Sehen und Hören beim Riechen um einen der wichtigsten Sinne. Oder kannst du dir eine Welt ohne Geruch vorstellen?
Inzwischen ist sicher jedem bekannt, dass der Mensch ein Geruchsgedächtnis hat. Jeder hat schon erlebt, dass ein bestimmter Duft ganz bestimmte Erinnerungen bei ihm weckt. Gerüche werden über die Nase aufgenommen, gelangen dann in den Riechkolben des Gehirns (gibt es wirklich und damit ist nicht die Nase gemeint!) und werden dort gespeichert. Sehr lange gespeichert, denn selbst im hohen Alter können wir Erinnerungen über Gerüche aus der Kindheit abrufen.
Mir ging das erst kürzlich so. Nachbarn erzählten, dass sie sich bei der Tanzschule Eichelmann angemeldet haben. Diese Tanzschule ist hier in Halle seit Generationen DIE Tanzschule. Ich war Vierzehn, als ich dort Walzer und Foxtrott lernte und jetzt, 46 Jahre später hatte ich bei dem Namen Eichelmann direkt den Duft des Tanzsaales in der Nase. Spaßeshalber habe ich uns auch gleich für den Erwachsenenkurs angemeldet. Mal sehen, ob es dort immer noch so schnuppert.
Natürlich unterscheiden wir Gerüche und Düfte. Gerüche sind meist stark und eher negativ behaftet. Dem Wort Duft ordnen wir dagegen Leichtigkeit und Wohlempfinden zu. Eine Welt ohne Gerüche oder Düfte wäre ärmer, obwohl es Gelegenheiten gibt, bei denen wir lieber auf das Riechen verzichten würden. Auf manchen öffentlichen Toiletten zum Beispiel oder in der Messiwohnung.
Jeder Mensch hat andere Geruchsvorlieben. Was dem Einen stinkt, liebt der Andere. Selbst in der Wahl unserer Sympathien für andere Menschen sind wir ohne Geruchssinn aufgeschmissen. Es heißt ja nicht umsonst „den kann ich nicht riechen“ – auch wenn wir diese speziellen Düfte meistens gar nicht bewusst wahrnehmen.
Patrick Süßkind hat in seinem bekannten Roman „Das Parfum“ den Duft und die Vorliebe seines Protagonisten für Düfte und Gerüche ganz großartig verarbeitet. Aber selbst wenn ich einen Duft nur kurz beschreibe, wecke ich beim Leser Emotionen. So ist der Geruch der Schule, in die wir zehn Jahre gegangen sind, uns auch nach langer Zeit präsent. Oder der Geruch des Tees, der FDGB-Urlaubern gern verabreicht wurde. Oder der Duft unseres Neugeborenen, unseres Haustiers, der Lieblingsduft unserer Mutter usw. Die Assoziation kann natürlich völlig unterschiedlich sein, schließlich riecht nicht jedes Neugeborene gleich und nicht jede Mutter hat den selben Lieblingsduft. Und nicht jeder verbindet damit angenehme Erinnerungen.
In eine Geschichte einen Duft oder einen Geruch einzubinden, erzeugt beim Leser Nähe zum Geschehen, es wird authentischer, weil jeder sich das vorstellen kann. Der Leser ist viel mehr in der Handlung drin.
Viele Autoren bedienen zu häufig nur das Auge (was sieht die Figur, wie sieht die Umgebung aus) oder das Ohr (Dialoge, Geräusche). Erst die Beschreibung, wie jemand duftet, was er erschnuppert oder wie die Umgebung riecht, macht eine Szene für mich lebendig. Und was braucht es für dich, damit eine Geschichte lebendiger wird?