Einsamkeit – Teil 1

In meiner seelsorgerischen Praxis begegnet mir das Thema Einsamkeit regelmäßig und oft, deshalb möchte ich heute etwas dazu schreiben.
Per Definition bezeichnet der Begriff „Einsamkeit“ vor allem eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlich vorhandenen sozialen Beziehungen eines Menschen. Dabei ist zu beachten: Einsamkeit ist etwas anderes, als Alleinsein.
Alleinsein kann reinigend, kraftspendend und motivierend wirken. Oft suchen wir uns diese Phase selbst aus, begeben uns beispielsweise ins Kloster oder suchen die Ruhe in der Natur, um nachdenken zu können. Wir wissen, dass wir dieses Alleinsein jederzeit unterbrechen und wieder Kontakt mit anderen Menschen aufnehmen können. Stehen wir in unserem Leben an einem Scheideweg, suchen wir gern das Alleinsein, um uns zu sortieren und neu durchstarten zu können. Dann tut uns das Alleinsein gut.
Einsame Menschen hingegen hadern mit dem Alleinsein, dem Fehlen sozialer Kontakte. Einsamkeit kann krank machen, kraftzehrend und deprimierend sein. Und es betrifft alle Altersklassen und Geschlechter.
Im Lauf der Zeit habe ich gelernt, zu unterscheiden, welche Menschentypen es gibt, die mit der Einsamkeit zu kämpfen haben. Diejenigen, die zwar unglücklich mit ihrer Situation sind, sich jedoch regelrecht weigern, aktiv etwas daran zu ändern. Obwohl ihnen die ganze Welt offensteht und es praktisch keine Hindernisse gibt, die zwischen ihnen und anderen Menschen stehen. Und diejenigen, die aus den verschiedensten Gründen einsam sind und aus ebenso vielen Gründen nicht wissen, wie sie ihre Einsamkeit beenden können, obwohl sie es sich sehr wünschen.
Bei manchen ist die Einsamkeit zeitlich begrenzt oder situationsbezogen. Jeder kennt bestimmt das Gefühl, auf einer Party zu sein, wo sich niemand um einen kümmert und man keinen Anschluss findet. Oder es geht uns nicht so gut und wir wünschen uns, dass jemand das wahrnimmt und wenn dies nicht passiert, fühlen wir uns einsam. Und Einsamkeit kann sehr weh tun.
Da Einsamkeit ein wirklich großes Thema ist, habe ich beschlossen, in diesem Monat und auch im Februar dazu etwas zu schreiben.
In meiner Story „Mein Pech und dein Glück“, die ich diesen Monat unter Leseproben für euch eingestellt habe, findet sich das Thema Einsamkeit ein Stück wieder. Hier habe ich etwas „verpackt“, das mir häufig begegnet. Menschen, die sich, auch zeitweise, einsam fühlen, haben oft die Erwartung, dass andere Menschen auf sie zukommen müssten. Möglicherweise verstehen sie nicht, dass sie nicht so interessant für Andere sind, wie sie sich das erhoffen oder annehmen. Woran liegt das?
Wenn wir nicht gerade eine Berühmtheit sind, mehr Charisma als Pierce Brosnan besitzen oder interessant sind, weil wir etwas Besonderes können, dann sind wir einer unter Vielen. Wenn wir uns durch irgendetwas auszeichnen oder uns, vielleicht durch Kleidungsstil oder optische Auffälligkeiten von der Masse abheben, dann wird sich dieser oder jener, der uns wahrnimmt, vielleicht bemüßigt oder angeregt fühlen, mit uns Kontakt aufnehmen zu wollen. Aber mal ehrlich… Auffallen kann ganz schön mühsam sein.
In meiner Geschichte steht Verna im Mittelpunkt, die gar keine Mühe hat, Kontakte zu knüpfen und sich bei den Kollegen beliebt zu machen. Sie lacht viel, gern auch über eigene Missgeschicke und sie nimmt sich selbst nicht so bierernst. Das ist eins der Geheimnisse, warum Menschen nicht einsam sind. Sie nehmen sich selbst nicht so ernst, stellen sich nicht stets und ständig in den Mittelpunkt ihres Denken und Tuns. Und das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass genug Raum bleibt, um Interesse für andere Menschen entwickeln zu können.
Macht mal das Experiment und sprecht eine Person an. Beispielsweise die Kollegin, die sich heute besonders hübsch gemacht hat. Ein Kompliment und die Frage, wo sie die schicke Bluse her hat, bringen auf jeden Fall ein Gespräch in Gang. Und wenn wir uns dann mit unserem (vielleicht vorhandenen) Redebedürfnis zurückhalten und die Kollegin erzählen lassen, wird diese das als sehr angenehm empfinden. Vielleicht entsteht mehr daraus, wer weiß? Alternativ können wir den Nachbarn wegen seines tollen Autos ansprechen und ihn erzählen lassen, was er damit schon alles erlebt hat. Prinzip erkannt? Funktioniert auch auf der Party mit den vielen fremden Menschen. Einen rauspicken, ansprechen/ etwas fragen, Gespräch in Gang bringen, zuhören und reden lassen. Dann tun wir nämlich das, was wir sonst von den anderen erwarten. Wir gehen zu jemandem hin und warten nicht darauf, dass jemand zu uns kommt.
Das ist der erste Schritt aus der Einsamkeit: Interesse für andere Menschen und ihnen Raum geben.
In meinem Februarblog schreibe ich mehr dazu und ich freue mich auch auf eure Fragen und Anregungen (gern unter kontakt [at] susera [dot] de). Zum Schluss möchte ich nur kurz erzählen, warum ich das Thema gern in meinen Geschichten verarbeite. Meine Protagonisten, die eine Aufgabe zu lösen haben (zum Beispiel ihre Einsamkeit beenden), müssen eine innere Hürde überwinden. Innerhalb der Story diese Hürde herauszukitzeln, ihre Ursachen zu beleuchten und zu schauen, welchen Weg meine Figuren letztendlich wählen, ob sie sich ihren Dämonen stellen usw., das macht mir unheimlich Spaß, das ist inspirierend und motivierend.