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Gefühle beschreiben und was das mit „Show don´t tell“ zu tun hat


Aus meiner seelsorgerischen Praxis weiß ich, dass es vielen Menschen schwer fällt, das Gefühl und dessen Stärke konkret zu benennen, das sie gerade beherrscht. Mir geht es nicht anders, denn es ist alles andere als leicht.

Ja, wir wissen, ob wir traurig sind oder fröhlich. Auch Wut ist recht gut zu definieren, Verliebtsein oder Angst.

Darüber hinaus werden eher Begriffe gebraucht, wie „es geht mir schlecht, ich habe so einen Druck auf der Brust, ich fühle mich nicht wohl damit, ich weiß gar nicht, wohin mit mir“ usw. Mir hilft es dann, mit Beispielen zu arbeiten, denn mir ist wichtig zu wissen, welches Gefühl gerade in welcher Intensität bei meinem Gegenüber vorhanden ist. Fühlt sich die Einsamkeit an wie ein bodenloses Loch oder hat man eher das Gefühl, in einem kleinen Boot auf dem Ozean unterwegs zu sein? Ist die Angst so stark, dass man regelrecht bewegungsunfähig ist oder, wenn ich mir die Angst wie eine Mauer vorstelle, wie hoch ist diese dann? Hier arbeite ich gern mit plastischen Vergleichen und das kommt in der Regel gut an, weil die Menschen sich verstanden fühlen.


Wenn ein Autor die Gefühle seiner Figur beschreiben soll, damit der Leser weiß, wie es in ihr drin aussieht, kann er schreiben „sie fühlt sich nicht wohl“ und erzeugt damit nur ein diffuses Bild, das im Leser aber keine Emotion weckt. Aber gerade das ist es ja, was ich als Autor erzielen möchte: Den Leser in meine Geschichte hineinziehen, damit er unbedingt mehr erfahren will.

Und hier kommt die Technik „Show don´t tell“ (Zeigen, nicht erzählen) zum Einsatz. Diese Technik ist nicht bei allen Autoren beliebt, da sie etwas aufwändiger ist. Es macht aber einen Unterschied, ob ich schreibe: „Monika fühlte sich nicht wohl. Sie war traurig und weinte.“ oder „Monikas Schultern zuckten verräterisch. Sie tastete nach dem Taschentuch, das sie heute Morgen vorsorglich eingesteckt hatte und tupfte sich die Tränen von ihren Wangen.“

Was sagt ihr, welche Variante erzeugt eher ein Bild vor eurem geistigen Auge?

Okay, Monika könnte auch gerade einen Lachanfall haben, der ihr die Tränen in die Augen treibt. Aber die Traurigkeit ergibt sich aus dem Kontext. Den Grad der Traurigkeit kann ich dann gut in einem Vergleich beschreiben, der die Szene für den Leser sinnvoll ergänzt.

Indem ich die Szene „zeige“, drücke ich noch so viel mehr aus, als dass Monika traurig ist und weint. Das verräterische Zucken der Schultern zeigt, dass Monika ihre Traurigkeit lieber verstecken möchte. Das vorsorglich eingesteckte Taschentuch verrät, dass sie die schlechte Nachricht erwartet hat. Und natürlich können wir davon ausgehen, dass Monika sich gerade überhaupt nicht wohlfühlt, ohne dass ich dies explizit schreiben muss.

Im seelsorgerischen Gespräch bleibt es eher bei den Vergleichen. Aber wenn ich zum Schluss eines Gespräches frage, wie das Gegenüber sich gerade fühlt, dann kommen durchaus Sätze wie „Jetzt kann ich wieder Luft holen.“ oder „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen.“ Und das ist, so meine ich, viel besser, als „Es geht mir wieder gut.“ Oder „Jetzt bin ich erleichtert.“