Enttäuschungen

Enttäuschungen sind etwas, das unter Umständen sehr schmerzen kann. Jeder kennt das Gefühl, wenn etwas, das man sich sehr wünscht, nicht so läuft, wie man sich das vorgestellt hat.
Ja, was man sich so vorstellt…
Ich hatte zum Beispiel immer die Vorstellung, dass Mütter sich (grundsätzlich) für ihre Kinder und deren Wohlergehen interessieren müssten. Ihr doch auch, oder?
Bei den meisten Müttern ist dies sicher der Fall. Leider kenne ich einige Menschen, bei denen die Vorstellung jedoch nicht an die Realität anknüpfen konnte. Auch ich habe in diesem Punkt schmerzliche Erfahrungen gemacht.
Oder wir stellen uns vor, dass unsere Freunde oder auch die eigenen Kinder bei Bedarf und in Notzeiten für uns da sind und erfahren dann im Zweifelsfall, dass wir keine Hilfe von ihnen erwarten können. Habt ihr so eine Situation auch schon kennengelernt?
Ein kluger Mann sagte mir einmal, dass unter Umständen falsche Erwartungen der Grund für die Enttäuschungen sind und da hat er möglicherweise recht.
Muss meine Wunschvorstellung, sei sie auch noch so nachvollziehbar, mit dem übereinstimmen, was die andere Person leisten kann und will? Nein.
Natürlich erwarten wir von der Frau, die uns geboren hat, Interesse an uns und unserem Tun, unseren Erfolgen und unserem Wohlbefinden. Natürlich erwarten wir von den Kindern, die wir großgezogen haben, Hilfe im Alter, Zuwendung und Liebe – wir haben sie ja auch gegeben. Und bei den Freunden, denen wir schon mehrfach beim Umzug geholfen haben, dürfen wir natürlich damit rechnen, dass sie uns nun auch einmal helfen.
Mag durchaus ein moralischer Anspruch vorhanden sein, auf den wir unsere Erwartungen gründen. Wir verlangen ja nichts Unmögliches. Dennoch ist es die freie Entscheidung jedes Menschen, ob er unseren Erwartungen entsprechen möchte oder nicht. Wir selbst haben diese freie Entscheidung ja ebenfalls, wenn andere an uns Erwartungen haben.
Es kann sehr weh tun, sehr verletzend sein, wenn unser vermeintlicher Anspruch nicht bedient wird. Aber wir können niemanden zwingen, sich für uns zu interessieren, uns die Liebe zurück zu geben, die wir selbst verschenkt haben oder Freundschaftsdienste zurückzufordern, die der andere vereinnahmt hat.
Manche lösen den Konflikt, indem sie den Kontakt zu der Person abbrechen, die sie so enttäuscht hat. Viele Menschen verarbeiten den Schmerz der Enttäuschung jedoch nicht und leiden, still oder wütend oder indem sie die Tatsachen verdrängen und beim nächsten Mal wieder enttäuscht werden.
Ich selbst habe meine Enttäuschung im wahrsten Wortsinn begraben und dennoch schmerzt der Gedanke, schmerzen die Erinnerungen noch immer. Mir hilft es, darüber zu reden und es tut mir gut, wenn ich erfahre, dass ich nicht allein dastehe. Es gibt aber auch Menschen, die ihre Erwartungen reduziert oder korrigiert haben und darum zu den betreffenden Personen weiterhin ein gutes Verhältnis haben. Hut ab, wer das schafft!
Den Aspekt der Erwartung und der Enttäuschung verarbeite ich hin und wieder beim Schreiben von Geschichten, denn es sind zutiefst menschliche Regungen, für die sich niemand schämen muss. Indem ich darüber schreibe, verstehe ich besser, welche Mechanismen da wirken und hoffentlich kann ich irgendwann auch meinen Schmerz ganz ablegen.