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Was Sammelwut mit Angst, Einsamkeit und Trauer zu tun hat


Vor Kurzem sah ich eine Folge der Sendung „ Der Trödeltrupp“. Wer sie nicht kennt – der Trödeltrupp wird gerufen, wenn Leute sich Haus und Hof vollmüllen mit Dingen, die die Welt (vermutlich) nicht braucht. Was wird da nicht alles gesammelt. Vom Schlumpf bis zum Stuhl, dem ein Bein fehlt, vom Wandteller bis zum Eimer, in dessen Boden sich ein Loch befindet. Man könnte ihn ja noch einmal gebrauchen. „Der Trödeltrupp“ soll wieder für Ordnung sorgen und das ist, wenn man nur zusieht und nicht mitentrümpelt, ganz unterhaltsam, Kopfschütteln inklusive.

Aber warum sammeln Menschen Dinge?

Zum einen, weil sie etwas besonders schön finden oder hoffen, dass dessen Wert im Laufe der Jahre steigt und sie damit einen Gewinn erzielen können. Zum anderen, weil sie denken, sie könnten bestimmte Dinge reparieren und wieder gebrauchsfähig machen – kein schlechter Gedanke, wenn wir an unsere Wegwerfgesellschaft denken. Meist klappt es dann aber doch nicht mit der Reparatur und das „Ding“ wandert in eine dunkle Ecke oder verschwindet unter dem nächsten Sammelstück. Aus den Augen, aus dem Sinn.


Mancher Sammler verfällt auch in einen regelrechten Rausch. Allein der Besitz der Dinge ist erstrebenswert. Meist ist die Sammelwut dann pathologisch (krankhaft). Jeder hat schon einmal eine Messi-Wohnung im Fernsehen gesehen und weiß, wovon ich rede.

Ist der Mensch einsam, hat Verlustängste oder ist unsicher, äußert sich dies mitunter in dem Bedürfnis, Besitz anzuhäufen, sich mit materiellen Dingen zu umgeben. Dass dies schnell aus dem Ruder laufen kann, haben wir wahrscheinlich alle schon einmal gemerkt. Dennoch tut uns der Besitz oder der Akt des Erwerbens erst einmal gut, bietet eine innere Sicherheit, die wir in dieser Phase unseres Lebens anders nicht bekommen können.

Ein wichtiger Grund dafür, dass Menschen sich an Dinge klammern, ist aber auch, dass es sich um Erinnerungsstücke handelt. Entweder haben die Dinge jemandem gehört, der verstorben ist oder sie erinnern uns an Angehörige, Freunde, ehemalige Lebenspartner oder an Situationen und Ereignisse, die wir nicht vergessen möchten.

Wenn wir um jemanden trauern, ist es oft Balsam für die Seele, wenn wir etwas in die Hand nehmen können, das derjenige einmal berührt hat. Wenn wir lieben, ist ein Ding, das der Geliebte uns geschenkt hat, ebenso tröstlich, so lange wir nicht mit unserem lieben Menschen zusammen sein können.

Als meine Mutter verstorben ist, habe ich Vieles aus ihrem Besitz (das sie sicher mit Freude erworben hat) verschenkt und mich an dem Gedanken erfreut, dass die Dinge nun bei ihrem neuen Besitzer weiterexistieren dürfen. Ein Stück meiner Mutter lebt für mich damit weiter.

Es gab aber auch Dinge, die ich nicht fortgeben konnte, obwohl ich wusste: eigentlich brauche ich diese Sache nicht. Ich habe sie erst einmal eingelagert, weil ich wusste, dass die Zeit kommen wird, da ich mich davon trennen kann. Die Trauerphase ist bei jedem Menschen unterschiedlich lang und es ist auch ganz unterschiedlich, in welchem Maß wir trauern. Gegenstände, die dem Verstorbenen gehörten, helfen uns dabei, den Verlust zu verarbeiten. Sie können uns aber auch ersticken und erdrücken, wenn wir den Zeitpunkt verpassen, uns davon zu trennen.

Warum schreibe ich hier zu diesem Thema?  In meine Geschichten fließen natürlich menschliche Eigenheiten, Ängste, Gewohnheiten usw. ein. Sammeln und Trauern gehören unbedingt dazu, denn in der akuten Phase können wir diese Bedürfnisse nicht unbedingt steuern. Das ist ein weites Feld und ein interessantes Phänomen, mit dem die Beschäftigung lohnt, um authentische Charaktere entwerfen zu können.